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Accordeos Stiftungsratsausflug im 2020 - Vielfalt in den Jurahöhen

Ausflug des Stiftungsrates

Vielfalt in den Jurahöhen
Kooperative Le Montois von Longo Maï
Rundgang u. Konzert – Abbatiale de Bellelay –
Eintauchen in die Welt des Tête de Moine und Gaumenschmaus

Vielfalt in den Jurahöhen titelte die Einladung zum Accordeos-Ausflug: gezogen haben dorthin genetische Vielfalt auf lauschigen Jurawiesen, hervorragende Orgel-
musik in einer stillgelegten Kirche und die eigenhändige Mönchskopf-Produktion.
Der Accordeos-Ausflug ist kein Bitt- und Bussgang, sondern dient der Dankbarkeit an die in der Stiftung Mitwirkenden: Ruth Haab mit Thomas und Paolo Fuchs mit Lis.
Katharina Merker hat sich entschuldigt. Am diesjährigen Ausflug nahmen zudem Vertreter der ‘next generation’ teil: Claudia Utz mit Pape, Tabea Fuchs und Esther
Huwiler, die mit dem Zug von Bern angereist war.

Wie bei einem Sternenmarsch sind alle Teams auf selbstgewähltem Weg zum ersten Treffpunkt in Bassecourt gefahren. Wir von der Fuchs-Familie haben in Erinnerung an die Vorfahren der Utz Seite den Weg durch die Klus gewählt. Wir fuhren durchs Balsthal hinauf und nach Welschenrohr in den uns noch fast unbekannten Jura.

Vor dem Treffen mit der ganzen Reisegruppe hatten wir auf einer kleinen Rundfahrt durch das von der Eisenbahn geteilte Dorf Bassecourt (JU) versucht herauszufinden, was im Jura anders ist als bei uns in der Deutschschweiz; am ehesten die Sprache sowie die Herkunft der Gastarbeiter, es gibt keine Street-View vom Dorf. In der Confiserie Jubin an der Rue de l’Abbé Monnin, deren Namensgeber schon auf Bellelay, eines der Tagesziele verwies, hatten wir uns zum kleinen Frühstück vereinbart. Dort haben wir die Gäste aus Senegal wieder in die Arme geschlossen und Esther speziell herzlich begrüsst. In dieser Confiserie waren die Schokomilchportionen eindeutig grösser als bei uns. Die Startstimmung im Team war trotz der vielen ungeübten Frühaufsteher grossartig.

Von Bassecourt fuhren wir im gedehnten Konvoi in einer typischen Juralandschaft durch die dunkelgrüne, von steilen Jurafelsen begrenzte „Gorges de la Sorne“, die auch beim schnell Fahrenden einen mystischen Eindruck hinterliess, nach Undervelier. Das durch eine Kooperative geführte Restaurant verströmte bereits mitten im Dorf den Eindruck eines Gemeinschaftswerks und Umkehr eines Dorfs zurück zur Lebendigkeit. Über die Le Montois-Strasse fanden wir zum Haus Nr. 1, zum 1987 von Longo Maï übernommenen Bauernhof „le Montois“, der in einem weiten Ost-West-Tal mit nach Süden orientierten Wiesen und Feldern und einem Wald an der schattigen Südseite gelegen ist. Im Freien zwischen den Gebäuden hat uns Frau Dr. Esther Gerber, Biologin, und ihr freundlicher Hund bei schönem Wetter willkommen geheissen. Sie wurde vom Saatgutexperten Udo Schilling, den die Fuchs-Familie ein paar Wochen davor bei der Saatgutveranstaltung von Christine Hürlimann in Zürich kennengelernt hatte, unterstützt. Die beiden haben über die Entstehung und die Tätigkeit der Kooperative im Allgemeinen und des Standorts hier im Jura informiert.

Die Longo Maï Mitglieder haben sich das Ziel gesetzt, nur Dinge zu konsumieren, die sie selber herstellen. Die Mitglieder leben antikapitalistisch, selbstbestimmt und
solidarisch. In einem interessanten Rundgang wurden uns die Wiesen mit der Schafherde, der Bach mit dem Kleinkraftwerk, der Teich mit den Fischen und der Hofladen mit den einzigartigen Eigenprodukten verschiedener Standorte vorgestellt und deren Spezialitäten erläutert. Ein kleines Wasserkraftwerk produziert doppelt so viel Strom als
verbraucht wird und eine Solaranlage versorgt den Hof mit Warmwasser. Es ist erstaunlich, in welchem Einklang die Kooperative mit der Natur lebt. Der anschliessende Höhepunkt bestand in einer vegetarischen Lasagne, die uns die Mitglieder der Kooperativen im Garten des Wohnhauses serviert hatten. Dank den hier möglichen individuellen Gesprächen haben wir viel über die spannenden und nicht immer gradlinigen Wege, die die Longo Maï Mitglieder hierher geführt haben, erfahren. Das vorzügliche Essen hat uns sehr geschmeckt. Eine Wegkreuzung der Gespräche bildete immer wieder das gemeinsame Interesse beim Schutz der Artenvielfalt am Beispiel der Samengewinnung. Accordeos hatte dazu Longo Maï bei der bekannten DVD-Kollektion zur Samenpflege finanziell unterstützt. Im Hofladen haben wir einiges erworben, das uns noch lange helfen wird, gute Erinnerungen an den Besuch bei Longo Maï in Undervelier zu bewahren, vor allem der Honig zeigt sich speziell geschmacksvoll.

Nach dem grosszügigen und sehr schmackhaften Mittagessen und nach dem Abschied von den grosszügigen Gastgebern fuhren wir über Jurahöhen und an vielen grossen Pferdeherden vorbei nach Bellelay (was übersetzt schöner Wald heisst) zur ehemaligen Klosterkirche und deren drei phantastischen Orgeln. Im Jahr 1797 wurden die Abbatiale de Bellelay von französischen Truppen besetzt und das Kloster säkularisiert. Die Kloster-gebäude und die Kirche dienten zunächst als Uhrenfabrik, danach als Brauerei und schliesslich als Glashütte. 1891 erwarb der Kanton Bern das Areal aus der Konkursmasse der Glashütte. Seither dienen die Gebäude einer psychiatrischen Klinik. 1956 wurde die Klosterkirche restauriert und wiederhergestellt.

Einer privaten Initiative gelang es, die Kirche 2009 mit der Hauptorgel und 2014 mit einer Chororgel auszustatten. Stilistisch sind die Instrumente der Entstehungszeit (1721) der vormaligen Orgel von Joseph Bossard angepasst und eignen sich dank ihrer historischen Stimmung ausgezeichnet für die Wiedergabe alter Musik. Die beiden Instrumente, ebenso wie eine dritte, mobile Orgel dienen heute der Veranstaltung von Konzerten und der Ausbildung junger Organisten. Der Verantwortliche für die Orgeln, Antonio García, ist Titularorganist an der Französischen Kirche in Bern, Dozent an der Hochschule der Künste, Bern, sowie Studienleiter der Kirchenmusikabteilung sowie Organist des Kultur-Casinos Bern. In einem eindrücklichen Konzert führte er unserer kleinen Gruppe die Klangschönheiten aller drei Instrumente vor.

Als Schlusspunkt des Ausflugs ging es zum Eintauchen und Gaumenschmaus in die Welt des Tête de Moine (frz. „Mönchskopf“) einem Halbhartkäse aus unbehandelter
Kuhmilch, der vorwiegend im Berner Jura und im Kanton Jura hergestellt wird. Die Anfänge liegen im 12. Jahrhundert im Kloster von Bellelay und die Ursprungsbezeichnung (AOP Appellation d’Origine Protégée) ist seit 2001 geschützt. Hier konnten wir den letzten Teil der Herstellung nach traditioneller Art am Holzfeuer und im grossen Kupfer-Käsechessi mitverfolgen. Gespickt war der Vorgang mit vielen Details aus der Geschichte und der Käseentwicklung. Beim Zerschneiden der Käsemasse, dem Herausnehmen des Käsegranulats und beim Abfüllen in die Formen konnte teilweise sogar Pape, unser senegalischer Schwiegersohn mithelfen. Wer weiss
ob mal auch im Senegal eine Käserei entstehen wird. Nach dem Rundgang im eigens dazu gemachten Museum mit viel Anschauungsmaterial schritten wir im Hofgarten hin zu den Pferdestallungen zur Degustation der Köstlichkeiten. Wir konnten diesen zylindrischen Käse, der zum Genuss auf ein rundes Holzbrett (Girolle) mittig auf
einen Stift gesetzt wird und mit dem aufgesetzten Metallwinkel hauchfein geschabt wird, um den Geschmack besonders zu Geltung zu bringen, geniessen. Zusammen mit etwas Trockenfleisch einem lokalem Weisswein und Apfelmost konnten wir die letzten Sonnenstrahlen vom Tag noch einfangen, bevor es wieder galt, die Heimreise anzutreten. So hat es für den persönlichen Austausch und gute Gespräche an diesem Tag immer wieder Möglichkeiten ergeben.

Danke allen Teilnehmern für das Interesse.
Paolo Fuchs - Mitglied im Stiftungsrat

 

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